Spitzengenossin an der Basis

STADE. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi diskutiert in Stade mit Arbeitnehmer-Vertretern – Neues Bürgerbüro eröffnet.

Die SPD Stade hat in der Seminarstraße ihr Bürgerbüro eröffnet. Ortsvereinsvorsitzender Oliver Kellmer (vorn rechts) und Yasmin Fahimi (links daneben) durchschnitten symbolisch das Band für die Freigabe. Foto Strüning

Die Themen waren vorhersehbar, mit denen Arbeitnehmer-Vertreter aus der Region die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi in Stade konfrontierten: Die Spitzengenossin aus Berlin musste sich während ihres Trips im Norden einiges anhören in Sachen Streikrecht, Werkverträge, Leiharbeit oder befristete Arbeitsverträge. Fahimi versuchte durch rhetorisches Geschick, zumindest verbal den Schulterschluss mit den Betriebsräten hinzubekommen.

Eigentlich ist es für die Sozialdemokratin und Gewerkschafterin Fahimi im neuen Bürgerbüro der SPD Stade in der Seminarstraße ein Heimspiel. Doch wer die Gewerkschafter kennt, weiß, dass die gerne und leidenschaftlich diskutieren. Irgendwann wurde es der SPD-Frau dann doch zu bunt: „Das ist interessant, dass ihr immer die SPD kritisiert, dabei ist es die CDU, die oft nicht will.“

In vielen Fragen seien sich SPD und Arbeitnehmervertreter „vollkommen einig“, doch es sei machtpolitische Realität, dass die SPD nicht der stärkste Partner ist. Fahimi: „Da können wir drüber reden, wenn wir wieder über 25 Prozent kommen.“ Dann könnten zum Beispiel die ungeliebten Werksverträge eingedämmt werden. Mit einer starken CDU, so die Einschätzung Fahimis, ist da nichts zu machen.

Im kleinen Stader SPD-Büro hängen rote Vorhänge an den Wänden. Auf den Tischen stehen Getränke und Kerzen. Von der Decke brennt helles Licht. Es ist eng. Die Verspätung der Generalsekretärin um eine Stunde bringt den Zeitplan vieler Genossen durcheinander. Sie gehen frühzeitig – auch SPD-Bezirksvorsitzende und Landtagsabgeordnete Petra Tiemann. In diesen Kreisen sind alle per „Du“. Wenn von Andrea die Rede ist, meinen sie alle Bundesarbeitsministerin Nahles.

Fahimi, gerade aus Hamburg gekommen und auf dem Sprung zum Grünkohlessen zurück in die große Hansestadt, nimmt sich Zeit für die Sorgen und Nöte aus der Runde. Dass vielen Leiharbeitern gekündigt wird und diese dann unter noch schlechteren Bedingungen mit Werkverträgen wieder eingestellt werden, hört sie. Dass der Gesetzgeber klare Vorgaben machen müsse, um die Dauer der Leiharbeit festzulegen. Oder dass die Regierung die angestrebte Tarifeinheit nicht gesetzlich erzwingen dürfe, sondern, dass das Sache der Gewerkschaften sei. Fahimi hört zu, diskutiert sachlich. Sie ist ernst, wirkt fast ein bisschen verbissen. Aber sie hat auch etwas zu sagen.

Ein Streik müsse weh tun, sagt sie. Das Streikrecht dürfe nicht eingeschränkt werden. Die Belegschaft dürfe nicht gespalten werden. Deswegen plädiert sie für die gesetzlich verordnete Tarifeinheit, in der als letztes Mittel die Gewerkschaft mit der größten Mitgliederzahl verhandelt – und keine Splittergruppe. Die Gewerkschaften müssten zueinander finden durch Koop-Verträge, durch Tarifgemeinschaften oder Abgrenzungsverträge. Das ist wohl auch eine Lehre aus dem nervigen Bahner-Streik.

Die Palette der Themen war noch nicht ausgereizt: Dass die Personalräte zum Beispiel kein Mitspracherecht bei ausgelagerten Dienstleistungen hätten, wurde moniert. Die Reinigungskräfte bekämen zwar jetzt ihre 8,50 Euro Mindestlohn, müssten dafür aber die doppelte Fläche putzen, erzählte eine Personalrätin. Das sei ein Fall für die Hotline, die extra für den Missbrauch beim Mindestlohn eingerichtet wurde, sagt Fahimi.

Eine gesetzliche Personalbemessung für den Bereich der Kliniken forderte Betriebsrat Kai Holm von den Elbe Kliniken. Gerade der Bereich der Pflege sei chronisch unterbesetzt, ohne Regeln „kollabieren wir“. Der Pflegebereich, so Holm, wird reduziert auf einen „Kostenfaktor auf zwei Beinen“. Fahimi nahm das auf, oder wie sie öfter sagte: „Ich nehme das gerne mit.“

STADER TAGEBLATT vom 24.11.2014